.WHAT: Article & Research
TITLE: No Consum – Design Away Design
CLIENT: SELF
Deutsch & English ↓
°
→ Forschungsdokument
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Design away design!
Design tötet ¹.
Design ist ein Mittel zur Macht ².
Ok…
Was noch?
Design löst Probleme.
Stimmt, DesignerInnen ermöglichen es uns, in unserer Umwelt zu leben und zu überleben. Sie geben uns Lösungen in die Hand – z.B. physische Produkte – die einfache, anfangs erst überraschende später dann selbstverständliche Antworten auf Alltagsprobleme bieten. Eine gut gemachte Saftpresse braucht wenig Kraft, arbeitet effizient und lässt sich leicht reinigen – sie löst gleich mehrere Probleme elegant. Wir sind umgeben von eleganten Problemlösungen.
Design berücksichtigt Kontext.
Dabei ist Design eigentlich nie unabhängig von einem Kontext – also von der Umwelt, in der es platziert ist. Problemlösungen aber können neue Probleme schaffen. Ein offfenes Feuer in einer Mietshauswohnung mag gegen Kälte wirken, ist aber wahrscheinlich trotzdem schlechtes Design. Es stinkt, vergiftet und bringt Gefahr. Nein, eine gute Lösung gegen Kälte muss auch Gesundheit und Sicherheit innerhalb des Mietshauses mitbedenken. Dynamit bringt effizient und zuverlässig Fische an die Oberfläche eines Sees. Das funktioniert aber nur ein paar Mal. Der See kippt, ein Großteil des Lebens verschwindet daraus. Will man am Ufer des Sees sein Leben verbringen, dann ist Dynamitfischen sehr schlechtes Design. Es schadet dem Kontext, in dem es stattfindet.
Design schützt?
Die Weltwirtschaft ist in den letzten Jahrhunderten und ganz besonders den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen. Die Anzahl industriell hergestellter Produkte ist explodiert. Die Kosten davon sind Klimawandel und Biodiversitätskollaps. 40 Prozent des CO2-Ausstoßes eines Menschen in Deutschland gehen auf physische Konsumgüter zurück – auf Kleidung, Telefone, Möbel, Spielzeug usw. (Quelle: UBA), der größere Rest kommt von Verkehr, Bau und Ernährung. All das sind Problemlösungen, all das ist Design. Und es strömt aus Fabriktoren über die Oberfläche des Planeten in unsere Häuser; und vernichtet ganz nebenbei die biologische Vielfalt, wandelt das Klima und reduziert die Möglichkeiten, auf diesem Planeten zu überleben. D.h. Design selbst ist heute ein Problem. Es ist ein unsichtbares Lagerfeuer im Haus, das uns vergiftet und unser Haus zunehmend spürbar herunterbrennt. Design tötet, erst andere(s), dann uns.
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design is
dynamite fishing
making things kills
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Design away design?
Wenn Design sich als Problemlösung versteht, dann steht es vor dem Problem, sich selbst zu entfernen. Kann Design sich selbst wegdesignen? Schwer, aber vielleicht möglich.
Was auch immer aus einer Fabrik läuft, läuft vorher in Form von Ressourcen und Energie (also in Form von Umweltverbrauch) in sie hinein.
Vermeide die Fabrik.
Immer, wenn wir ein Objekt in die Hand bekommen, um ein Problem zu lösen, werden wir darauf trainiert, auch beim nächsten Problem nach einer Lösung in Objektform zu suchen.
Objektiviere nicht.
Wie können wir gute Leben führen ohne dabei den ökologischen Druck auf den Planeten zu erhöhen? Wie können wir ein besser gestaltetes Leben führen mit weniger Gestaltung? Wie können DesignerInnen die Augen dafür öffnen, wie so etwas geht? Ja, wie gestalten wir ein klima- und umweltfreundliches Leben? Mit weniger Design!
Design away design @Mifactori!
Diese Frage ist noch älter als alles Nachdenken über Nachhaltigkeit. Bei Epikur lernt man, dass der Schlüssel zum Glück nicht übermäßiger Besitz und Konsum ist sondern Maßhalten. Verwandte Ideen findet man in verschiedensten Kulturen.
Mifactori ist ein Studio für wirklich nachhaltiges Design. Wir wollen gelingendes klimafreundliches Leben miterfinden und ermöglichen. Und darum wollen wir auch zu dieser Frage zukünftig mehr arbeiten – eine designfreiere Welt finden.
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the war is over when
the soldiers lay down
their weapons
make future not products
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Wir haben dazu prinzipiell schon gearbeitet z.B. in unserer Bildungsarbeit und unsere gesamte Produkt-Design-Arbeit konzentriert sich immer darauf, mit weniger Ressourcen das gleiche oder mehr zu erreichen etwa durch Upcycling-Freundlichkeit, Pre-Use, vielfach umnutzbare Modularität oder City Hacking. Es geht fast immer darum, zu nutzen was man schon hat und so ein paar Fabriken schließen zu können.
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Aber vielleicht kann man da noch drüber hinausgehen? Dazu beginnen wir jetzt mehr Forschung. Und wir laden andere ein mitzumachen. Hier ist unser offenes Forschungsprogramm:
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Forschungschritt 1: Literaturrecherche
Finding: Es ist alles schon da!(?)
Zum Glück beginnen man nicht mit Nichts. Im Gegenteil. Es gibt zu diesem Thema sehr viel. Ein Wissens- und Ideendefizit scheint es nicht zu geben, sondern ein Handlungsdefizit (wie eigentlich generell in der Nachhaltigkeitsdebatte).
Neben weltlichen und religiösen Ideen von Verzicht oder Reduktion sind auch Geschichtsbücher ein guter Anfang. Ein Mensch mittleren Einkommens hat heute vermutlich ein viel umfangreicheres Konsumleben als eine wohlhabende Person vor hundert Jahren es hatte ³. Die Frage ist vielleicht, wer unterm Strich glücklicher ist oder war, wir heute oder die wohlhabenden Personen vor 100 Jahren? Abschließend beantworten lässt sich die Frage nicht. Für beide Seiten lassen sich aber gute Argumente vorbringen.
Zweitens gibt es sehr viel in aktuellen Ratgebern und im Internet zu finden. Wie so oft ist alles eine Frage des richtigen Suchbegriffes. “Minimalismus” ist z.B. einer, hinter dem sich eine ganze Welt öffnet. Hier finden sich Menschen, die zeigen, wie man mit wenig Konsum gut leben kann. Viele haben einen Nachhaltigkeitsantrieb, anderen geht es um die Lösung aus ökonomischen Zwängen. Eine Recherche nach “Leben mit wenig Geld” oder “Leben ohne Geld” bringt Blogs und Bücher voller Tipps zum Vorschein von Kochtricks bis zu Beziehungstips. “Konsumverzicht”, “Anti-Consumerism”, “Frugalismus”, “Degrowth” bringen weitere Ergebnisse. Und die Liste ist noch länger.
Die “Not-Shopping-List”, ein Suchfund aus der Zeit des “Sharing-Booms”. (Nachbau)
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Forschungsschritt 2: Push!
Ideen also scheinen auf den ersten Blick nicht rar. Aber wieso scheinen sie so wenig verbreitet? Damit wollen wir uns befassen. Wie kann man konsumfreies Leben voranbringen und gestalten? Das machen wir wie mit allem anderen auch stückweise, Baustein für Baustein, Einsicht für Einsicht, Ressource für Ressource, Event für Event und wann immer wir Zeit dafür finden… forschungs- und interessengetrieben also.
Alles beginnt bei unserem → offenen Forschungsdokument. Darin sammeln wir offen Unterprobleme und Lösungsideen. Guckt hinein und forscht mit.
Dazu gibt es die Kategorie “Non Consum”, die wir stückweise füllen wollen mit Posts, Projekten, Events usw.
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Macht mit! Schickt uns Hinweise, kommt vorbei, bleibt an unserer Arbeit dran via Newsletter oder Social Media →
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Nachtrag: No Size Fits You
Bevor jemand fragt. Natürlich können nicht alle DesignerInnen aufhören zu designen. Wir brauchen Dinge zum Leben. Aber wir können uns bestimmt einig werden, dass heute mehr DesignerInnen an Produkten arbeiten als nötig. Es sind also viele frei, um sich mit den oben skizzierten Fragen zu befassen.
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August 2020 (Dezember 2020)
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[1] Design verbraucht meist Ressourcen und Energie. Beides übt Druck auf die Umwelt, vernichtet Käfer, Pilz und Wal. Mehr dazu warum “Design tötet” im Haupttext ↑.
[2] Ein Weg zur Macht geht über Geld. “Geld ist Macht” ist eine Formel, die viel Wahrheit transportiert. Ein Weg zu Geld, der vielen offen steht, ist das produzieren und verkaufen von Produkten. Also konzentriert sich die starke Kraft des Willens zur Macht heute auf das Erzeugen und Verkaufen von Dingen (siehe auch → FFFS Ep3). Zur Illustration: Noch am Anfang der 2000er war China kein Ernst zu nehmender Akteur auf der Weltbühne. Dann wurde es zur “Werkbank der Welt”. Heute ist China der zweitmächtigste vielleicht gar der mächtigste Akteur in der Welt. | Macht = Güterproduktion. Das ist ein erschreckend einfacher Zusammenhang. Solange wir keinen besseren Weg zur Macht haben, haben wir kein Mittel Klimawandel und Biodiversitätskollaps zu stoppen. (Demokratie könnte so ein Weg sein. Aber gegenwärtig wird das Geschehen in den Demokratien vor allem von Konsuminteressen gelenkt, große Konzerne haben viel Macht, die Politik trifft Entscheidungen, die unseren “materiellen Wohlstand” sichern sollen. Trotzdem findet sich hier ein Ansatzpunkt. Dazu mehr im Haupttext ↑.
[3] Menschen vergessen schnell, aber der gegenwärtige Zustand, dass so viele Dinge heute praktisch nichts mehr kosten, ist noch sehr jung. Die Gründung der deutschen Billigkette “MäcGeiz” ist keine 30 Jahre her (1994) und es war damals eine absolute Sensation und Neuheit, dass so viele Gebrauchgegenstände plötzlich für “Spottpreise” also nur noch wenige Cents verfügbar waren. Sie hatten aufgehört, aufwändige “Anschaffungen” zu sein. Der Hauptkonkurrent “Euroshop” trat 2004 auf den Markt. Heute kaufen wir uns in solchen und anderen Läden physische langlebige Objekte zum Preis einer Kugel Eis – und oft mit dem selben Ziel wie die Kugel Eis – für einen kurzen Gemütszustand einen kurzen Endorphinkick. IKEA hat uns allen beigebracht wie kaum wer anders, dass Möbel, die man früher sein Leben lang hatte und über Generationen weitergab, Wegwerfprodukte sind, die wir alle paar Jahre ersetzen. All das ist vergleichsweise neu und theoretisch nicht alternativlos. ↑ Zurück zum Haupttext
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Image Credits: The Colorfont in the images above is called ColorTube. It was created by Ivan Filipov and is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Thank you Ivan!